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Medienguide Bamberg
Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022

Scharfer Beobachter

E.T.A. Hoffmann: Karikierende Darstellung: Eine Gruppe von acht Männern vom BürgerMilitair in Bamberg. Bamberg 1809. Staatsbibliothek Bamberg I R 63. Foto: Gerald Raab. CC BY-SA 4.0

E.T.A. Hoffmann: Karikierende Darstellung: Eine Gruppe von acht Männern vom BürgerMilitair in Bamberg. Bamberg 1809. Staatsbibliothek Bamberg I R 63. Foto: Gerald Raab. CC BY-SA 4.0

Besonders eindrücklich wird Hoffmanns durchdringender Blick beschrieben, mit dem er »hinter die Fassade« schauen konnte. Seine Beobachtungen hielt er in zahlreichen Zeichnungen und Karikaturen fest. Einige thematisieren politische und gesellschaftliche Themen, andere bringen Eindrücke aus seinem Umfeld zur Darstellung. Hoffmann bediente sich dazu verschiedener künstlerischer Verfahren. So arbeitete er teilweise mit Verfremdungen und Übertreibungen. Für seine Werke Klein Zaches genannt Zinnober (1819) und Meister Floh (1822) entwarf Hoffmann selbst die Umschlagzeichnungen. Beide Erzählungen können als literarische Karikatur gelesen werden.

„Bamberger Bürger-Militair“

E.T.A. Hoffmanns Karikatur Eine Gruppe von acht Männern vom »BürgerMilitair« in Bamberg zeigt eine Gruppe von Männern der Bamberger Bürgerwehr. Man sieht einen Vorgesetzten, der deutlich kleiner ist als seine sieben Untergebenen. Einer der Soldaten hat wohl in den Augen der Übrigen etwas falsch gemacht und wird nun gleich von seinem kleinen Vorgesetzten abgestraft.

Textausschnitt: Klein Zaches genannt Zinnober

Fabian hatte indessen seinen Freund Balthasar wieder beim Arme gefaßt und war mit ihm rasch weiter geschritten. Eben jetzt traten sie heraus aus dem Dickigt auf den breiten Weg, der mitten durch den Wald führte. Da gewahrte Fabian, wie aus der Ferne ein Pferd ohne Reiter in eine Staubwolke gehüllt herantrabte. — Hei hei! — rief er, sich in seiner Rede unterbrechend, hei hei, da ist eine verfluchte Schindmähre durchgegangen und hat ihren Reiter abgesetzt — die müssen wir fangen und nachher den Reiter suchen im Walde. Damit stellte er sich mitten in den Weg.

Näher und näher kam das Pferd, da war es, als wenn von beiden Seiten ein Paar Reitstiefel in der Luft auf und nieder baumelten und auf dem Sattel etwas Schwarzes sich rege und bewege. Dicht vor Fabian erschallte ein langes gellendes Prrr — Prrr — und in demselben Augenblick flogen ihm auch ein Paar Reitstiefel um den Kopf und ein kleines seltsames schwarzes Ding kugelte hin, ihm zwischen die Beine. Mauerstill stand das große Pferd und beschnüffelte mit lang vorgestrecktem Halse sein winziges Herrlein, das sich im Sande wälzte und endlich mühsam auf die Beine richtete. Dem kleinen Knirps steckte der Kopf tief zwischen den hohen Schultern, er war mit seinem Auswuchs auf Brust und Rücken, mit seinem kurzen Leibe und seinen hohen Spinnenbeinchen anzusehen wie ein auf eine Gabel gespießter Apfel, dem man ein Fratzengesicht eingeschnitten. Als nun Fabian dies seltsame kleine Ungetüm vor sich stehen sah, brach er in ein lautes Gelächter aus. Aber der Kleine drückte sich das Barettlein, das er vom Boden aufgerafft, trotzig in die Augen und fragte, indem er Fabian mit wilden Blicken durchbohrte, in rauhem tief heiserem Ton: Ist dies der rechte Weg nach Kerepes? Ja, mein Herr! antwortete Balthasar mild und ernst, und reichte dem Kleinen die Stiefel hin, die er zusammengesucht hatte. Alles Mühen des Kleinen, die Stiefel anzuziehen, blieb vergebens, er stülpte einmal übers andere um und wälzte sich stöhnend im Sande. Balthasar stellte beide Stiefel aufrecht zusammen, hob den Kleinen sanft in die Höhe und steckte, ihn eben so niederlassend, beide Füßchen in die zu schwere und weite Futterale. Mit stolzem Wesen, die eine Hand in die Seite gestemmt, die andere ans Barett gelegt, rief der Kleine: Gratias, mein Herr! und schritt nach dem Pferde hin, dessen Zügel er faßte. Alle Versuche, den Steigbügel zu erreichen oder hinauf zu klimmen auf das große Tier, blieben indessen vergebens. Balthasar, immer ernst und mild, trat hinzu und hob den Kleinen in den Steigbügel. Er mochte sich wohl einen zu starken Schwung gegeben haben, denn in demselben Augenblick, als er oben saß, lag er auf der andern Seite auch wieder unten. »Nicht so hitzig, allerliebster Mosje!« rief Fabian, indem er aufs neue in ein schallendes Gelächter ausbrach. »Der Teufel ist Ihr allerliebster Mosje, schrie der Kleine ganz erbost, indem er sich den Sand von den Kleidern klopfte, ich bin Studiosus, und wenn Sie desgleichen sind, so ist es Tusch, daß Sie mir wie ein Hasenfuß ins Gesicht lachen, und Sie müssen sich morgen in Kerepes mit mir schlagen!« »Donner, rief Fabian immer fort lachend, Donner, das ist mal ein tüchtiger Bursche, ein Allerweltskerl, was Courage betrifft und echten Comment.« Und damit hob er den Kleinen, alles Zappelns und Sträubens ungeachtet, in die Höhe und setzte ihn aufs Pferd, das sofort mit seinem Herrlein lustig wiehernd davon trabte! — Fabian hielt sich beide Seiten, er wollte vor Lachen ersticken. —

aus: Hoffmann, E.T.A: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Hg. von Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht. Band 3. Nachtstücke/Klein Zaches/ Prinzessin Brambilla. Werke 1816–1820, Frankfurt a. M. 1985, S. 556–558.

E.T.A. Hoffmann's gesammelte Schriften mit Federzeichnungen von Theodor Hosemann. Bd. 9: Klein Zaches genannt Zinnober. Berlin 1873. SBB-PK Yw 9074-9. CC BY-NC-SA 4.0

E.T.A. Hoffmann’s gesammelte Schriften mit Federzeichnungen von Theodor Hosemann. Bd. 9: Klein Zaches genannt Zinnober. Berlin 1873. SBB-PK Yw 9074-9. CC BY-NC-SA 4.0

Literaturempfehlungen

Schmidt, Ricarda: Wenn mehrere Künste im Spiel sind. Intermedialität bei E.T.A. Hoffmann. Göttingen 2006.

Telsnig-Langer, Elisabeth: E.T.A. Hoffmanns antinapoleonische Karikaturen. In: Alte und moderne Kunst, 26 (1981), H. 176, S. 18–24.