3
Medienguide Bamberg
Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022
Die Gedanken sind frei
Untersuchung gegen Professor Friedrich Ludwig Jahn. Akte der Immediatuntersuchungskommission. Band 1. Berlin 1819/20. Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 23 Spez. Lit. J Nr. 2 Bd. 1. Public Domain Mark 1.0
Als Richter am Berliner Kammergericht wurde E.T.A. Hoffmann 1819 Mitglied der Königlichen Immediat-Untersuchungskommission. Sie sollte im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse die liberalen und nationalistischen Burschenschafter verfolgen. Anlass war die Ermordung des Politikers und Schriftstellers August von Kotzebue durch den in Wunsiedel geborenen Karl Ludwig Sand. Kotzebue hatte als Verleger auch eine Erzählung Hoffmanns veröffentlicht. Unter anderem ermittelte Hoffmann gegen Friedrich Ludwig Jahn, bekannt als »Turnvater Jahn«. Er urteilte, Jahn sei aus der Haft zu entlassen: Man könne ihm keine strafbaren Handlungen nachweisen und Gesinnungen seien nicht strafbar. Dies führte zu Konflikten, vor allem mit dem Polizeipräsidenten Karl Albert von Kamptz.
Juristische Laufbahn
E.T.A. Hoffmann hatte in Königsberg Jura studiert, wo er auch seine erste Stelle als Auskultator am Königsberger Obergericht antrat. Nach Stationen in Glogau, Posen, Plock und Warschau und einer Unterbrechung seiner juristischen Tätigkeit nach dem Einmarsch Napoleons in Warschau, wurde Hoffmann 1816 als Richter Mitglied des Kriminalsenats am Berliner Kammergericht.
E.T.A. Hoffmann: Karikatur: Die Warschauer Regierungsräte Johann Christoph Marggraff und v. Klöber als Hunde. Warschau 1804–1805. In: Handzeichnungen E.T.A. Hoffmanns in Faksimilelichtdruck nach den Originalen. Herausgegeben von Walter Steffen und Hans v. Müller. Berlin 1925, Tafel 29. Staatsbibliothek Bamberg, ETA.K, Art.f.23-ga. Foto: Gerald Raab.
Brief an Theodor Gottlieb von Hippel vom 30. August 1816
Bei dem Kammergericht fällt mir natürlich mein Geschäftsleben ein, das ich wie den Klotz des Baugefangenen hinter mir herschleppe und glaube, es sei nun einmal die Strafe meiner vielen Sünden, daß ich in der freien Luft nicht ausdauern konnte und in den Kerker zurück mußte, so wie der verwöhnte Stubenvogel, dem das Futter so lange zugereicht wurde, daß er im Freien seine Atzung selbst zu suchen nicht mehr vermag. Alles Unangenehme haben sie mir bisher aufgebürdet — KassenKuratel — DepositalAbnahme — Untersuchungen u. s. w. Dazu kam, daß der KriminalSenat von 8 Mitgliedern bis auf drei herabgeschmolzen war durch Reisen, Krankheit pp, so daß ich meinte, wir wollten unsere Pforten schließen und mit 5 Fuß 6 Zoll hohen Buchstaben darauf schreiben: Wir sind nach dem Bade verreiset, wornach sich jeder Rücksichts der Prozesse und der begangenen und noch zu begehenden Verbrechen zu achten!
Der Präsident Woldermann war auch fort, der Vizepräsident mußte im InstruktionsSenat präsidieren, und Dein gehorsamer Diener führte im KriminalSenat als ältester Rat mit Würde und Energie den Rotstift. Kam noch zu selbiger Zeit hinzu, daß mich meine Nichte aus Posen, die ich erzog, besuchte, und mir ein wahrhaft lebendiges Kind, das sie mit ihrem Mann, dem TribunalsAssessor v. Lekszycki erzielt, vorzeigte, so daß ich an meiner Großonkelschaft gar nicht zweifeln konnte, so magst Du es Dir denken, wie über schwenglich groß und erhaben ich mich fühlte. Nach Niederlegung meines Postens (als Direktor nämlich, nicht als Großonkel) wurde mir als gerechtes Anerkenntnis meiner hohen Verdienste von meinen Freunden in einer außerordentlichen SeraphinenVersammlung ein mit bunten Bändern geschmückter EhrenRotstift überreicht, den ich an festlichen Tagen im dritten Knopfloch meiner rechten Rockklappe trage, so daß er beim Überknöpfen auf meinem Herzen ruht!!
aus: Hoffmann, E.T.A: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Hg. von Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht. Band 6 Späte Prosa/Briefe/Tagebücher und Aufzeichnungen/Juristische Schriften. Werke 1814–1822. Frankfurt a. M. 2004, S. 95–98.
Literaturempfehlungen:
E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, gesammelt und erläutert von Hans von Müller und Friedrich Schnapp. Hg. von Friedrich Schnapp, Bd. 2: Berlin 1814–1822. München 1969.
E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, gesammelt und erläutert von Hans von Müller und Friedrich Schnapp. Hg. von Friedrich Schnapp, Bd. 3: Nachträgliches. Urkunden. Anzeigen. Offene Briefe. Amtliche Briefe. Die Affäre des „Meisters Floh“. Testament. Tod und Begräbnis. Der Nachlaß und die Hinterbliebenen. München 1969.
Hoffmann, E.T.A.: Juristische Arbeiten. Hg. und erläutert von Friedrich Schnapp. München 1973.
Zimmermann, Harro: Ein deutscher Gotteskrieger? Der Attentäter Carl Ludwig Sand: Die Geschichte einer Radikalisierung. Paderborn 2020.