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Medienguide Bamberg
Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022

Bildende Kunst und Literatur: Meister Martin

Carl Wilhelm Kolbe d. J., Ludwig Heine: Böttchersche Werkstatt. Undatiert. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, 996-134. Foto: Dietmar Katz

Carl Wilhelm Kolbe d. J., Ludwig Heine: Böttchersche Werkstatt. Undatiert. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, 996-134. Foto: Dietmar Katz

Hoffmann ließ sich auch von der bildenden Kunst zu literarischen Werken inspirieren. Vor allem in Berlin besuchte er viele Ausstellungen. Ein beliebter Ausstellungsort war die Akademie der Künste. Andere Gemälde sah er bei Freunden oder bei Besuchen in den Ateliers von Künstlern. Die Arrangements und Szenen einiger Gemälde entfaltete er dann in Erzählungen. So entstand nach Carl Wilhelm Kolbes Böttcherscher Werkstatt die Erzählung Meister Martin der Küfner und seine Gesellen.

„Böttchersche Werkstatt“

Das Original von Kolbes Böttcherscher Werkstatt galt lange als verschollen, bis es in den Vereinigten Staaten ausfindig gemacht wurde. Seitdem ist auch klar, dass der Kupferstich von H. Schmidt, der dem Text bei seiner Veröffentlichung beigegeben wurde, nicht das ursprüngliche Bild zeigt, sondern eine Fassung des Bildes, die bereits im Hinblick auf den Inhalt von Hoffmanns Text bearbeitet wurde. Dem Bild Kolbes entspricht die Stelle in Hoffmanns Text, an der der Kunde Holzschuer, die drei Gesellen am Fass für den Bischof arbeiten sieht.

Auch ein weiteres Gemälde Kolbes diente als Vorlage für Hoffmann: Auf Kolbes Doge und Dogaresse basiert die gleichnamige Erzählung Hoffmanns.

Carl Wilhelm Kolbe (der Jüngere), Johann Samuel Otto: Doge und Dogaresse. Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Dietmar Katz.

Carl Wilhelm Kolbe (der Jüngere), Johann Samuel Otto: Doge und Dogaresse. Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Dietmar Katz.

Textausschnitt: Meister Martin, der Küfner und seine Gesellen

Das gab eine lustige Wirtschaft so daß man kaum den alten Herrn Johannes Holzschuer bemerkte, der zur Werkstatt hineintrat. Meister Martin schritt ihm entgegen, und fragte höflich nach seinem Begehren. Ei, erwiderte Holzschuer, ich wollte einmal meinen lieben Friedrich wiederschauen, der dort so wacker arbeitet. Aber dann lieber Meister Martin, tut in meinem Weinkeller ein tüchtiges Faß Not, um dessen Fertigung ich Euch bitten wollte. — Seht nur, dort wird ja eben solch ein Faß errichtet, wie ich es brauche, das könnt Ihr mir ja überlassen, Ihr dürft mir nur den Preis sagen. Reinhold der ermüdet einige Minuten in der Werkstatt geruht hatte, und nun wieder zum Gerüst heraufsteigen wollte, hörte Holzschuers Worte und sprach, den Kopf nach ihm wendend: ei lieber Herr Holzschuer, die Lust nach unserm Fäßlein laßt Euch nur vergehen, das arbeiten wir für den hochwürdigen Herrn Bischof von Bamberg! — Meister Martin die Ärme über den Rücken zusammen geschlagen, den linken Fuß vorgesetzt, den Kopf in den Nacken geworfen, blinzelte nach dem Faß hin und sprach dann mit stolzem Ton: mein lieber Meister, schon an dem ausgesuchten Holz, an der Sauberkeit der Arbeit hättet Ihr bemerken können, daß solch ein Meisterstück nur dem fürstlichen Keller ziemt. Mein Geselle Reinhold hat richtig gesprochen, nach solchem Werk laßt Euch die Lust vergehn, wenn die Weinlese vorüber, werd‘ ich Euch ein tüchtiges schlichtes Fäßlein fertigen lassen, wie es sich für Euern Keller schickt. Der alte Holzschuer, aufgebracht über Meister Martins Stolz, meinte dagegen, daß seine Goldstücke gerade so viel wögen, als die des Bischofs von Bamberg, und daß er anderswo auch wohl für sein bares Geld gute Arbeit zu bekommen hoffe. Meister Martin, überwallt von Zorn, hielt mühsam an sich, er durfte den alten, vom Rat, von allen Bürgern hochverehrten Herrn Holzschuer wohl nicht beleidigen. Aber in dem Augenblick schlug Conrad immer gewaltiger mit dem Schlägel zu, daß alles dröhnte und krachte, da sprudelte Meister Martin den innern Zorn aus und schrie mit heftiger Stimme: Conrad — du Tölpel, was schlägst du so blind und toll zu, willst du mir das Faß zerschlagen? Ho, ho, rief Conrad, indem er mit trotzigem Blick ⟨sich⟩ umschaute, nach dem Meister! ho, ho du komisches Meisterlein, warum denn nicht?

Und damit schlug er so entsetzlich auf das Faß los, daß klirrend der stärkste Band des Fasses sprang und den Reinhold hinabwarf vom schmalen Brette des Gerüstes, während man am hohlen Nachklange wohl vernahm, daß auch eine Daube gesprungen sein müßte. Übermannt von Zorn und Wut sprang Meister Martin hinzu, riß dem Valentin den Stab, an dem er schabte, aus der Hand und versetzte, lautschreiend: Verfluchter Hund! dem Conrad einen tüchtigen Schlag über den Rücken. So wie Conrad den Schlag fühlte, drehte er sich rasch um und stand da einen Augenblick wie sinnlos, dann aber flammten die Augen vor wilder Wut, er knirschte mit den Zähnen, er heulte: geschlagen? Dann war er mit einem Sprunge herab vom Gerüst, hatte schnell das auf dem Boden liegende Lenkbeil ergriffen und führte einen gewaltigen Schlag gegen den Meister, der ihm den Kopf gespalten haben würde, hätte Friedrich nicht den Meister bei Seite gerissen, so daß das Beil nur den Arm streifte, aus dem aber das Blut sogleich hinausströmte. Martin, dick und unbeholfen wie er war, verlor das Gleichgewicht und stürzte über die Fügbank, wo eben der Lehrbursche arbeitete, nieder zur Erde. Alles warf sich nun dem wütenden Conrad entgegen, der das blutige Lenkbeil in den Lüften schwang und mit entsetzlicher Stimme heulte und kreischte: zur Hölle muß er fahren — zur Hölle! Mit Riesenkraft schleuderte er alle von sich, er holte aus zum zweiten Schlage, der ohne Zweifel dem armen Meister, der auf dem Boden keuchte und stöhnte, das Garaus gemacht haben würde, da erschien aber, vor Schrecken bleich wie der Tod, Rosa in der Türe der Werkstatt. So wie Conrad Rosa gewahrte, blieb er mit dem hochgeschwungnen Beil stehen, wie zur toten Bildsäule erstarrt. Dann warf er das Beil weit von sich, schlug die beiden Hände zusammen vor der Brust, rief mit einer Stimme, die jedem durch das Innerste drang: o du gerechter Gott im Himmel, was habe ich denn getan und ⟨stürzte⟩ aus der Werkstatt heraus ins Freie. Niemand gedachte ihn zu verfolgen.

aus: Hoffmann, E.T.A: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Hg. von Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht. Band 4. Die Serapions-Brüder, Frankfurt a. M. 2001, S. 547–549.

Literaturempfehlungen:

Dieterle, Bernard: Erzählte Bilder. Zum narrativen Umgang mit Gemälden. Marburg 1988.

Holländer, Hans: Schein und Widerschein. Über die Schachbilder von Johann Erdmann Hummel, in: Jahrbuch der Berliner Museen 43, S. 205–235.

Türk, Klaus: E.T.A. Hoffmann: „Meister Martin der Küfner und seine Gesellen“. Kolbe-Gemälde wiedergefunden. In: E.T.A. Hoffmann Jahrbuch. Band 11. 2003, S. 134–137.