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Medienguide Bamberg
Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022
Animalischer Magnetismus
Le Baquet de M.r Mesmer ou Representation fidelle des Opérations du Magnétisme Animal : [estampe], Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE QB-370 (6)-FT 4
In Bamberg stand Hoffmann in engem Austausch mit Medizinern, besonders mit Christian Pfeufer und Adalbert Friedrich Marcus. Durch den Krankenhausdirektor Marcus kam Hoffmann mit dem Animalischen Magnetismus in Kontakt. Diese auch Mesmerismus genannte Lehre geht auf Franz Anton Mesmer zurück. Sie beruht auf der Annahme einer im Leib zirkulierenden Naturkraft, die Ähnlichkeiten zum Magnetismus oder zur Elektrizität aufweise. Mesmer meinte mittels eines Geräts, dem Baquet, Blockaden im Körper lösen und so Krankheiten heilen zu können. Der Effekt beruhte auf elektrostatischer Ladung. Hoffmann schildert in der Erzählung Der Magnetiseur (1814) die Gefahren des Magnetismus und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Magnetiseur und Patient.
Baquet
Die Abbildung des Mesmerschen Baquets in Aktion gibt einen Eindruck von der Anwendung des Geräts, mit dem Franz Anton Mesmer glaubte, Krankheiten heilen zu können. Die Patienten berührten das elektrostatisch geladene Gerät und gerieten nicht selten in große Aufregung. Manche fielen gar in Ohnmacht. Besonders in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft waren Sitzungen mit einem Baquet und einem Magnetiseur sehr beliebt. Die Ideen des Animalischen Magnetismus waren allerdings schon zu dieser Zeit äußerst umstritten. Hoffmann dienen sie zur Darstellung unheimlicher Verbindungen zwischen seinen Figuren und unerklärlicher Einflüsse auf diese.
Textausschnitt: Der Magnetiseur
Alban ist nämlich eben der seltene Arzt, den Ottmar schon vor langer Zeit einmal als seinen Herzensfreund aus der Residenz mitbrachte, indessen war er mir damals bei dem kurzen Besuch so gleichgültig geblieben, daß ich mich nachher nicht einmal seines Äußern zu entsinnen wußte. — Alsdann aber, als er wieder kam zu meiner Heilung berufen, wußte ich mir selbst von der innern Empfindung, die mich durchdrang, nicht Rechenschaft zu geben. — So wie Alban überhaupt in seiner Bildung, in seinem ganzen Betragen, eine gewisse Würde, ich möchte sagen, etwas Gebietendes hat, das ihn über seine Umgebung erhebt, so war es mir gleich, als er seinen ernsten durchdringenden Blick auf mich richtete: ich müßte alles unbedingt tun, was er gebieten würde, und als ob er meine Genesung nur recht lebhaft wollen dürfe, um mich ganz herzustellen. Ottmar sagte: ich solle durch den sogenannten Magnetismus geheilt werden, und Alban werde durch gewisse Mittel mich in einen exaltierten Zustand setzen, in dem ich schlafend und in diesem Schlaf erwachend, selbst meine Krankheit genau einsehen und die Art meiner Kur bestimmen werde. Du glaubst nicht, liebe Adelgunde, welch ein eignes Gefühl von Angst — Furcht, ja Grausen und Entsetzen mich durchbebte, wenn ich an den bewußtlosen und doch höher lebenden Zustand dachte, und doch war es mir nur zu klar, daß ich mich vergebens dagegen sträuben würde, was Alban beschlossen. — Jene Mittel sind angewendet worden und ich habe, meiner Scheu, meiner Furcht zum Trotz nur wohltätige Folgen gespürt. — Meine Farbe, meine Munterkeit ist wiedergekehrt, und statt der entsetzlichen Spannung, in der mir oft das Gleichgültigste zur Qual wurde, befinde ich mich in einem ziemlich ruhigen Zustande. Jene närrischen Traumbilder sind verschwunden, und der Schlaf erquickt mich, indem selbst das tolle Zeug, was mir oft darin vorkommt, statt mich zu quälen, mich belebt und erheitert.
aus: Hoffmann, E.T.A: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Hg. von Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht. Band 2/1. Fantasiestücke in Callot’s Manier. Werke 1814, Frankfurt am Main 1993, S. 207–208.
Literaturempfehlungen:
Barkhoff, Jürgen: Magnetische Fiktionen. Literarisierung des Mesmerismus in der Romantik. Stuttgart und Weimar, 1995.
Barkhoff, Jürgen: Geschlechteranthropologie und Mesmerismus. Literarische Magnetiseurinnen bei und um E.T.A. Hoffmann. In: Gerhard Neumann (Hg.): ‚Hoffmaneske Geschichte‘. Zu einer Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft. Freiburg i. Br. 2005, S. 15–42.
Barkhoff, Jürgen: Der literarische Mesmerismus in Deutschland. Ein Überblick. In: Dietrich von Engelhardt (Hg.): Medizin in der Literatur der Neuzeit. Bd. IV. Wissenschaftliche Studien. Heidelberg, 2017, S. 265–279.
Hilpert, Daniel: Magnetisches Erzählen. E.T.A. Hoffmanns Poetisierung des Mesmerismus. Freiburg i. Br. 2014.
Kluge, Carl Alexander Ferdinand: Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heilmittel. Berlin 1811.
Schott, Heinz: Die ‚Strahlen‘ des Unbewußten. Von Mesmer zu Freud. In: Gereon Wolters (Hg.): Franz Anton Mesmer und der Mesmerismus. Wissenschaft, Scharlatanerie, Poesie. Konstanz 1988, S. 55–70.